
Blaue Karte gegen Horvat – Rechtliche Ersteinschätzung
Vergangen Freitag ging das heiß-erwartete Ländle-Derby der beiden Vorarlberger Teams, Hard und Bregenz in die zweite Runde. Nachdem Hard am Anfang der Woche knapp vorgelegt hat (Bericht), spielten die Roten Teufel um ihren Matchball in der Meisterschaft. Letztendlich gelang ihnen in letzter Sekunde erneut der knappe Sieg gegen ihre Bregenzer Rivalen. Der Einzug ins Halbfinale wird nun jedoch von einem blutigen Zwischenfall überschattet. Der junge Spieler Markus Mahr wurde bei einem Angriff schwer verletzt. Sein Gegenspieler Ivan Horvat kassierte dafür umgehend die Rote und anschließend die Blaue Karte und musste das Spielfeld sofort verlassen.
Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Bestimmungen des Österreichischen Handballbundes zur Blauen Karte und liefert eine juristische Ersteinschätzung des Vorfalls. Eine Entscheidung des Strafsenats wird bereits für die kommende Woche erwartet. Markus Mahr wurde inzwischen operiert. Update: Eine Entscheidung des Handballgerichts über den Strafrahmen liegt bereits vor (Hier lesen).
Sachverhalt – Foul & Diagnose
Es ist die 42. Spielminute, als der bis dahin hart, aber fair geführte Klassiker zwischen Hard und Bregenz abrupt kippt. Markus Mahr, ein großes Nachwuchstalent des Landes und künftiger Spieler beim VfL Potsdam (deutsche Bundesliga), zieht in den freien Raum – dann der Schlag: Mit voller Wucht trifft ihn Ivan Horvat, Harder Rückraumroutinier, mit ausgestrecktem Arm und offener Hand im Gesicht. Mahr sackt sofort zusammen, krümmt sich vor Schmerz auf dem Hallenboden. Schnell wird klar: Das ist mehr als ein normales Foul.
Die Diagnose schockiert – ein offener, mehrfacher Nasenbeinbruch. Mahr musste noch am selben Abend operiert werden. Der Schock saß tief – bei Mitspielern, Verantwortlichen und Fans beider Teams. Für Mahr endet das Derby nicht mit dem Schlusspfiff, sondern im Krankenhaus. Beachtlich ist vor allem, das Mahr in der ersten Viertelfinalpartie als Bregenzer Leistungsträger agierte. Mit 14 Toren war er der Top-Torschütze des Spiels – ob Horvat ihn deswegen ausknocken wollte bleibt ein schwerwiegender Vorwurf – den wir ihm hier nicht unterstellen wollen.
Juristische Einschätzung nach § 7 ÖHB-Bestimmungen und § 84 StGB
Die Bestimmungen des Österreichischen Handballbundes (ÖHB) bilden ein umfassendes sportrechtliches Regelwerk. Neben allgemeinen Spielvorschriften, Schiedsrichter- und Jugendrichtlinien enthält insbesondere die Rechtsordnung (§ 7) klare Vorgaben zur Ahndung unsportlicher Vergehen.
Ein zentrales Instrument ist die Blaue Karte: Sie signalisiert – ergänzend zur Roten Karte – ein unmittelbar eingeleitetes Disziplinarverfahren sowie eine Spielsperre. Ab dem Zeitpunkt ihrer Ausstellung ist der betroffene Spieler jedenfalls bis zur Entscheidung der zuständigen Instanz gesperrt. Eine Teilnahme an Pflichtspielen ist während dieser Zeit ausgeschlossen. Auch Ivan Horvat, der nach dem Foul an Markus Mahr zunächst Rot und unmittelbar danach Blau sah, ist damit vorerst außer Gefecht gesetzt.
Besonderes wegweisend: Horvat steht nicht zum ersten Mal für seine harte Spielweise unter Kritik. Bereits 2020 foulte er in der selben Spielkonstellation, Bregenzer Leistungsträger Lukas Frühstück derartig schwer, dass dieser bewusstlos am Spielfeld zu Boden ging.
Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang § 7.3.1 der Rechtsordnung. Demnach sind „grobe Unsportlichkeiten im laufenden Spielgeschehen gegenüber einem Gegner“ mit Sperren von bis zu zwei Jahren zu ahnden. Führt das unsportliche Verhalten – wie im vorliegenden Fall anzunehmen ist– zu einer schweren Verletzung, so kann die Sperre zwischen acht Pflichtspielen und vier Jahren betragen.
Was unter einer schweren Verletzung zu verstehen ist, richtet sich nach dem österreichischen Strafgesetzbuch (§ 84 StGB): Eine schwere Verletzung liegt etwa dann vor, wenn eine vierundzwanzig tägige Gesundheitsschädigung, Berufsunfähigkeit oder eine an sich schwere Verletzung eingetreten ist. Nach gängiger Rechtsprechung erfüllen offene Brüche zweifelsfrei dieses Kriterium. Die juristische Grundlage für eine Sperre mit dem Mindeststrafmaß von acht Spielen wäre somit klar gegeben.
Ob der Vorfall auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte – also etwa eine Verurteilung wegen (schwerer) Körperverletzung – ist demgegenüber deutlich schwieriger zu beurteilen. Im Sport gilt ein besonderer Maßstab: Körperverletzungen werden nur dann als rechtswidrig eingestuft, wenn sie das in der jeweiligen Sportart typische Risiko überschreiten (vgl. Rechtsprechung vom Obersten Gerichtshof Österreich (OGH)). Wo genau diese Grenze liegt, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Im Fall Horvat wird daher auch eine strafrechtliche Beurteilung stark davon abhängen, ob dem Spieler ein Vorsatz – auch nur in bedingter Form – nachgewiesen werden kann.
Kein Vorsatz (?) – aber Verantwortung
Die Bilder sind eindeutig. Der Treffer war hart, direkt, im Gesicht. Und dennoch: Es gibt keine handfesten Indizien dafür, dass Ivan Horvat mit der Absicht handelte, seinen Gegenspieler zu verletzen. Wer den Sport kennt, weiß: In der Hektik eines Spiels, bei hohem Tempo und hoher Belastung, entstehen Situationen, die niemand geplant hat – aber deren Folgen real sind. Und genau das ist der Kern der Debatte.
Denn so sehr man Horvat keine Verletzungsabsicht unterstellen will, so deutlich muss gesagt werden: Diese Art der Härte hat im Handball nichts verloren.
Ein klassisches Stoppfoul zielt auf die Wurfhand – nicht auf das Gesicht. Der Ball war nicht auf Kopfhöhe, die Bewegung Horvats war kein Reflex, sondern ein bewusster Griff in eine gefährliche Zone. Unkontrolliert, zu hart, mit zu wenig Rücksicht auf den Gegner – auch wenn es nicht „böse gemeint“ war.
Horvat zeigt sich reumütig
In der österreichischen Handballszene gilt Ivan Horvat jedoch nicht als jemand, der abseits des Spielfelds als Brutalist auffällt. Viele beschreiben ihn als umgänglichen Typen – jemand, der auf dem Spielfeld entschlossen agiert, jedoch außerhalb davon kaum Anlass zur Kritik gibt.
Das Spannungsfeld zwischen einem grundsätzlich fairen Ruf und einem in diesem Fall unverhältnismäßig harten Foul wird nun auch Teil der juristischen und sportrechtlichen Bewertung sein.
„Es tut mir sehr leid, dass es zu dieser Verletzung gekommen ist. Es war in keinster Weise meine Absicht, Markus zu verletzen – seine Körpertäuschung war enorm schnell und ich habe in dieser Situation leider falsch reagiert.“
Ivan Horvat, ALPLA HC Hard
Bregenz fordert harte Sanktion
Nach dem Vorfall meldete sich auch der Bregenzer Handballclub öffentlich zu Wort. Geschäftsführer Björn Tyrner fand deutliche Worte:
„Horvat sollte mindestens für den Rest der Saison gesperrt werden.“
In einem offiziellen Statement des Vereins heißt es weiter:
„Wir möchten betonen: Das war nicht die erste gefährliche Aktion dieses Spielers gegen uns. Bereits im ersten Viertelfinalspiel kam Markus einer Attacke nur knapp aus – diesmal hatte er nicht das Glück, rechtzeitig auszuweichen.“
Fest steht: Im Rahmen körperbetonter Sportarten muss sich regelmäßig mit Grenzfällen zwischen harter Zweikampfführung und gesundheitsgefährdender Überhärte auseinandergesetzt werden. Das Verfahren gegen Ivan Horvat könnte hier zu einem wegweisenden Präzedenzfall werden.
